Analogie und winzige Details in Vergleichspaaren

Fotoausstellung „Guck, zweimal!" von Maria Dorn in der Remisengalerie offenbart bittersüße Ironie und mahnende Gesellschaftskritik

Hanau (jr/thb). Die nachdrücklich Aufforderung „Guck, zweimal" des Ausstellungstitels nahmen sich die Betrachter zu Herzen. Denn erst bei genauer Betrachtung der kleinformatigen Fotografien entdeckte man wichtige Details. Immer paarweise gehörten zwei Bilder zusammen und offenbarten in der Auffindung der entsprechenden teilweise konträren Vergleichsgruppen augenzwinkernden Humor, bittersüße Ironie sowie provokant mahnende Gesellschaftskritik. Die Ausstellung von Maria Dorn wird noch bis zum 21. Oktober in der Remisengalerie des Schlosses Philippsruhe zu sehen sein.

Insbesondere durch die Titel offenbarten sich Zusammenhänge zwischen den Fotopaaren, die sich gegenseitig interpretierten. „Zunehmend", Verkehrsaufkommen an Flugzeugen, und „Abnehmend", Gletschermassen in Kanada, das „Kinderspiel" Hanauer Jungs und Mädchen auf einem Spielplatz und „Ein Kinderspiel?" eines syrischen Hirtenjungen mit seiner Herde in der Wüste und „Marktwirtschaft 1" mit shoppingwütigen Touristen in New York und „Marktwirtschaft 2" mit zwei verschleierten, syrischen Tuchverkäuferinnen vor karger Landschaft regten zum Nachdenken über die globale Ordnung, den gnadenlosen Kapitalmarkt und die fortschreitende Umweltverschmutzung und drohende Klimakatastrophe an.

Die einseitige Sicht auf Dinge wurde hier stets aufs Neue äußerst intelligent relativiert. „Auch du kannst großes bewegen" ermutigte die Aufschrift auf einem Lastwagen in Großauheim unter dem Portraits des Revolutionärs Che Guevara, „... can you?” fragte sodann der Partner, die Abbildung eines heruntergekommenen, erbärmlichen Indianerreservat am Canyon in Arizona. Der Traum einer besseren Welt für die jeder kämpfen könne der westlichen Wohlstandskinder neben den zerbrochenen Träumen der fast ausgerotteten amerikanischen Ureinwohner, die schon auf die Verliererseite des Lebens hinein geboren werden, zeigten eine vielschichtige Weitsicht auf die Welt fernab stereotypischer Klischees oder vorgefertigter Positionen.

Doch auch banale, erheiternde Analogien fanden Eingang in die Ausstellung. So hing das Foto des Hinterteils einer antiken Statue neben dem in kurze Hot Pants gekleideten, prachtvollen Gesäß eines italienischen Transvestiten, das runzelige, weise Gesicht einer uralten Ecuadorianerin in traditioneller Kleidung neben einer grell geschminkten, verkleideten amerikanischen Halloween-Schönheit und Nahaufnahmen von Buntstiften neben gefällten Baumstämmen. Ein kleines Mädchen, das auf einem Weinfest mit Bungeeseilen in die Höhe geschleudert wird und eine betagte Greisin im Rollstuhl hatten das Alter als Vergleichsgruppe, während anderswo klirrend kalter Winter neben Hochsommer abgebildet war, oder einfach Farbigkeit oder Musterung von orangenen Steckdosen mit orangenen Säulen des Central Parks verglichen wurden.

Die Momentaufnahmen waren allesamt nicht arrangierte Situationsimpressionen und entstanden unabhängig voneinander im Rahmen diverser Reisen Maria Dorns um die ganze Welt. Die Idee der Paarbildung zweier Fotos über Kontinente, Grenzen und Kulturen hinweg und losgelöst aus räumlicher und zeitlicher Entstehung kam der Fotografin erst im Nachhinein. Gemeinsamkeiten und Kontraste, welche Menschen und Situationen in den Fotos verbanden, die gegenseitige Interpretation der Vergleichspaare und die Möglichkeit der kritischen Auseinandersetzung, welche Zusammenstellung und Titelgebung forcierte, katapultierten die Ausstellung in die Sphären einer vergleichenden Soziologiestudie. Mit Recht kann behauptet werden, dass die von Joerg Eyfferth vom Hanauer Kulturvereins sowie Andreas Safranmüller und Harry Schneider- Reckels eröffnete Fotodarbietungen Maria Dorns das Intelligenteste, Pfiffigste und Doppeldeutigste ist, was die Remise seit langem gesehen hat.