Unbekannte Musik

Im Lamboy lebt eine Sinti-Großfamilie in ärmlichen Verhältnissen

Von Pamela Dörhöfer

"Am Rande der Stadt lebt eine begnadete Musikerfamilie, und nur wenige wissen davon", sagt Annette Schulmerich vom Hanauer Kulturverein. Der Clan, von dem sie schwännt, umfasst rund 40 Menschen, vom Kind bis zur Großmutter, sie wohnen im nördlichen Lamboy in Wohnwagen, Containern und einem kleinen Steinhäuschen. Die Bambergers sind Sinti, 1961 kamen sie aus Frankreich nach Hanau, wo ihnen die Stadt das Quartier als "Ruhefahrt-Siedlung" zuwies.

Nur eine Wasserstelle

Die Familie lebt seither dort in ärmlichen, halb legalen Verhältnissen, toleriert, aber eben auch nicht mehr: vier bis fünf Menschen teilen sich eine Baracke, kaum größer als ein einzelnes Zimmer. Es gibt nur eine Stelle im Freien, wo Wasser gezapft werden kann; es muss in Eimern in die Wohnzimmer geschleppt werden. Drei Duschen zwei Toiletten und zwei Waschbecken, in Containern untergebracht, müssen für 40 Leute reichen. Wenn es regnet, waten sie durch Schlamm, weil das Gelände nicht befestigt ist, erzählt der 44-jährige Vano Bamberger, der in Hanau geboren ist und als Gitarrist schon auf vielen Bühnen gestanden hat .


Beides, die Lebensumstände der Bambergers und ihre Musik, will der Hanauer Kulturverein bei einer Veranstaltung am Freitag, 25. September, im Comoedienhaus Wilhelmsbad verknüpfen: im Mittelpunkt wird ein Konzen von Vano Bamberger und seiner Band stehen. Vano Bamberger selbst spielt auf einer kostbaren alten Gitarre, die er von seinem Großvater Jow Weiss vererbt bekam. Der spielte einst mit dem legendäten Django Reinhardt im "Hot Club de France" in Paris und brachte seinem Enkel das Instrument von Kindesbeinen an bei. Neben Vano Barnberger spielen in der Band sein Bruder Terrangi (Rhythmus-Gitarre), sein Sohn Donani (Solo-Gitarre), der Jazz-Klarinettist Jerry Senfluk und die bekannte Kontrabassistin Lindy "Lady Bass" Huppertsberg mit. Ihre Musik ist richtig schöner Sinti-Jazz, Balladen ebenso wie Flottes, bereichert um eigene Improvisationen, teils nach Melodien von Django Reinhardt, teils nach Eigenkompositionen von Vano Bamberger - das Ganze versehen mit Elementen des Swing, den vor allem "Lady Bass" Huppertsberg mitbringt.

Fotografien von Maria Dorn

Doch das Konzert ist nur die eine Seite des Abends: im Foyer des Comoedienhauses stellt Maria Dorn, stellvertretende Vorsitzende des Kulturvereins, außerdem Schwarz-Weiß-Fotografien aus, die sie in der Siedlung der Bambergers aufgenommen hat. Es sind stimmungsvolle, eindringliche Bilder mit durchaus künstlerischem Anspruch, die anschaulich die Lebenssituation der Bambergers zeigen. Die Arbeiten strahlen Wärme, Intimität und Tristesse gleichermaßen aus, voyeuristisch wirkt der Blick der Kamera indes nie. Maria Dorn erzählt, wie sehr sie die Aufgabe gereizt habe, diese andere Kultur kennen zu lernen. Dass die Bambergers ihr dazu die Gelegenheit gaben, ist nicht selbstverständlich: zwar liebt zumindest ein Teil der Familie die Bühne - privat sind die Hanauer Sinti jedoch eher scheu.